Dossier: Denkmalschutz vs. Klimaschutz – Was hätte Bruno Taut dazu gesagt?

In der fast baumlosen Gubitzstraße in der Carl-Legien-Siedlung im Norden des Prenzlauer Bergs wurden zwei Rotdornen umgepflanzt. Die Initiative „Der Grüne Carl“ hatte sie im vergangenen Jahr gepflanzt, um der zunehmenden Aufheizung der Siedlung entgegenzuwirken.

Was bisher geschah:

Die Carl-Legien-Siedlung ist seit 2008 UNESCO Weltkulturerbe. Gemeinsam mit fünf weiteren Siedlungen in Berlin zeigen sie den politischen, sozialen und technischen Fortschritt des Berlins in der Weimarer Republik. Die Siedlungen standen im Kontrast zu den dunklen, feuchten und engen Hinterhofwohnungen und schufen einen neuen Standard des Wohnungsbaus. Der Weltkulturerbestatus soll die Notwendigkeit des langfristigen Erhalts der Siedlungen zeigen und ihren besonderen Wert allen Besucher*innen nahe bringen. Der Architekt Bruno Taut baute die Siedlung in wirtschaftlich schweren Zeiten, schaffte es jedoch dem Leitbild von Licht, Luft und Sonne treu zu bleiben und schuf grüne Höfe und Vorgärten. Um den Wohnungen möglichst viel Licht zu geben und wohl auch aus wirtschaftlichen Gründen wurden nur wenige Bäume gepflanzt.

Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, Städte wie Berlin an den Klimawandel anzupassen. Durch heißer werdende Sommer heizen sich insbesondere baumlose Straßen, wie die Gubitzstraße, sehr stark auf. Bäume tragen nachweislich zu kühlerem Klima und sauberer Luft bei.

Deshalb entschieden sich einige engagierte Bewohner*innen der Siedlung von Spendengeldern zwei Bäumchen zu kaufen und einzupflanzen. Im Oktober bekam die Initiative einen Brief vom Straßen- und Grünflächenamt mit der Bitte die Bäume zu entfernen. Bei Nichterfüllung drohten die Rodung und ein Bußgeld von 10.000 Euro. 

Gemeinsam mit Andreas Otto habe ich den Senat deshalb gefragt, ob dieser es begrüßen würde, dass in der Wohnstadt Carl Legien mehr Bäume gepflanzt werden, um die Siedlung an den Klimawandel anzupassen. 2019 hat der Senat den Klimanotstand ausgerufen. Leider ist für den Senat die Einhaltung des Denkmalschutzes wichtiger, als eine adäquate Anpassung an sich ändernde Umweltverhältnisse. Deshalb fordere ich zusammen mit Andreas Otto eine neue Denkmalpolitik mit Fokus auf die Begrünung von kahlen Flächen.

Die Frage, was schwerer wiegt: Denkmalschutz oder (an Denkmalschutz angepasster) Klimaschutz, wurde nun am 6. Oktober vom Straßen- und Grünflächenamt Pankow insofern beantwortet, dass die beiden Jungbäume ausgehoben und in ca. 300 m Entfernung wieder eingepflanzt wurden. Auf einer Fläche, auf der bereits viele alte Bäume stehen, was die Überlebenschancen der kleinen Bäumchen wohl deutlich verringern wird. Die Anwohnerinitiative Der Grüne Carl hatte anlässlich der Umpflanzung in Form eines Nachbarschaftsfrühstücks zum Protest aufgerufen.

Am 6. Oktober 2022 wurden die beiden Jungbäume umgepflanzt. Unter Protest der Anwohner*innen.

Die grüne Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung hatte Ende September noch eine Anfrage an das Bezirksamt gestellt worauf in der zweiten Oktoberwoche dann eine eher knappe Antwort des Straßen- und Grünflächenamtes folgte. Zumindest wurde in der Pankower BVV beschlossen, dass es eine Zukunftswerkstatt gemeinsam mit den Anwohner*innen und dem Bezirksamt geben soll, in dem über die (grüne) Zukunft der Carl-Legien diskutiert werden soll.

Die Initiative „Der Grüne Carl“ möchte zeitgleich ihre Arbeit formalisieren und ein Fundament für deren zukünftige Arbeit schaffen und lädt am 21. November 2022 zur Vereinsgründung ein.

Ich unterstütze deren Vorhaben. Es ist Zeit, dass auch die Berliner Verwaltung alle Zeichen auf Klimaanpassung und -schutz setzt. Das bedeutet in der Stadt: Entsiegelung, Verkehrswende und Begrünung! Initiativen wie die der Anwohner*innen der Carl-Legien-Siedlung sollten unterstützt und nicht mit veralteten bürokratischen Vorgaben ausgebremst werden.


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